Was ist Verhaltenstherapie?
Bei dieser Therapie wird davon ausgegangen, dass Handlungen und Reaktionsmuster im Laufe des Lebens erlernt und gefestigt werden. Der Mensch trägt Erinnerungen und Erfahrungen in sich, die seine weiteren Emotionen, Verhaltensmuster und Handlungsweisen prägen. Es kann sich dabei um körperliche Reaktionsmuster handeln. Ebenso auch um solche, die in der eigenen Gedanken- und Gefühlswelt entstehen, sowie eigene Verhaltensweisen. Grundlegend ist dabei, dass diese als störend, vielleicht sogar als krankhaftes Erleben und Verhalten in Erscheinung treten. Die Annahme bei der Verhaltenstherapie ist, dass alles, was einmal erlernt wurde, ebenso durch bestimmte Lernvorgänge auch verlernt oder wenigstens verändert werden kann. Um das zu erreichen, werden in der Verhaltenstherapie psychologische Strategien bzw. Interventionen der Lerntheorie eingesetzt.
Beginn und Geschichte der Verhaltenstherapie
Seit den Anfängen dieser Therapieform in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts hat die Verhaltenstherapie sich stetig weiterentwickelt. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung der Psychoanalyse nach Sigmund Freud. Ausgehend von den Verhaltensbeobachtungen mit Hunden, die der russische Forscher Iwan Pawlow vornahm, hat sich die VT zu einer etablierten Therapierichtung entwickelt. Pawlow entdeckte seinerzeit, dass sich reflexartiges Verhalten von Hunden auf andere Gegenstände „anlernen“ ließ. Damit war das Konzept des „bedingten Reflexes“ geboren. Diese beeinflusste das spätere Denkmodell der klassischen Konditionierung, in dem sogenannte Reiz-Reaktions-Schemata (Black-Box) angelernt werden.
Behaviorismus und Verhaltenstherapie
Im Bereich der Psychologie etablierte sich der Behaviorismus, die Verhaltenslehre. So machte der Lernforscher Thorndike Verhaltensexperimente mit Tieren und entdeckte das „Gesetz des Effektes“. Dieses besagt, dass eine Handlung von der zu erwartenden Konsequenz abhängt. Der Grundstein für die später etablierte „operante Konditionierung“ war damit gelegt. In der Weiterentwicklung der VT wurde begonnen, sich nicht nur auf die Korrektur des äußeren Verhaltens zu konzentrieren, sondern sich auch mit gedanklichen Mustern, Grundannahmen und Einstellungen zu befassen. Die moderne Verhaltenstherapie umfasst neben der Analyse kognitiver Prozesse auch das Wissen aus zahlreichen anderen Therapieschulen. Im geschichtlichen Hintergrund gibt es eine beständige und in sich schlüssige Entwicklung dieser Therapieform. Hier wird in „drei Wellen“ unterschieden:
Entwicklung der Verhaltenstherapie
1. Welle der Verhaltenstherapie
Die 1. Welle beschreibt eine Zeit, in der sich diese Therapieform auf das sichtbare Verhalten des Menschen konzentrierte. Die „Lerntheorie“ als Grundkonzept der Verhaltenstherapie beschäftigte sich mit der Frage, wie ein Mensch lernt und wie er konditioniert wird. Es war der Beginn einer Anwendung der Verhaltenslehre. Die sogenannte Systematische Desensibilisierung und Expositionsverfahren wären eine verhaltenstherapeutische Anwendung.
2. Welle der Verhaltenstherapie
Die 2. Welle kann als der Zeitraum bezeichnet werden, in dem die Auswirkungen von Gedanken untersucht wurde. Wie denkt der Mensch und wie hängt dieses Denken mit dem Verhalten des einzelnen Menschen zusammen? Daraus entwickelte sich die kognitive Verhaltenstherapie. Vielfach wird auch von der „kognitiven Wende“ gesprochen, die in den 1970 er Jahren sich entwickelte. Diese postulierte, dass bestimmte Überzeugungen, auch Glaubenssätze genannt, zu Wirklichkeitsverzerrungen führen können. Der Mensch kann dadurch in seiner Lebensgestaltung eingeschränkt werden oder gar psychisch erkranken, wenn zum Beispiel durch ein „negatives Selbstkonzept“ sehr wenig Selbstwert(gefühl) vorhanden ist. Das Konzept der Arbeit mit Glaubenssätzen finden wir auch im NLP wieder. Zur 2. Welle der Verhaltenstherapie wird auch die rational emotive Therapie (RET) und das Stressimpfungstraining (Meichenbaum) gezählt.
3. Welle der Verhaltenstherapie
Die aktuelle 3. Welle konzentriert sich auf Achtsamkeit, Emotionen und die Beziehung zwischen Therapeut und Klient. Manchmal wird auch von der sogenannten „emotionalen Wende“ gesprochen. Hierunter werden auch die Schematherapie, die emotionsfokussierte Therapie und die Commitment Therapie (ACT) gezählt.
Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?
Grundlage des therapeutischen Vorgehens kann eine Verhaltens- und Problemanalyse sein. Ausgehend von einem tragfähigen therapeutischen Rapport werden die prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen für störendes bzw. krankhaftes Verhalten in den Fokus gerückt. Die Therapie hilft bei der Herbeiführung von neuen Lernerfahrungen. Diese helfen beim Aufbau von neuer Erlebens- und Verhaltenskompetenz oder dem Ändern von bereits bestehendem, dysfunktionalem Verhalten. Die Verhaltenstherapie hat dabei den Anspruch, ein transparentes Verfahren zu sein. So möchte sie dem Patienten Einsicht in die Zusammenhänge seines Verhaltens mit dem Problemverhalten aufzeigen. Später kann der Transfer in ähnliche Situationen vorgenommen werden. Ziel ist es, den Patienten unabhängig zu machen von der therapeutischen Begleitung und zu einer möglichst selbstbestimmten Lebensführung zu verhelfen.
Methoden der Verhaltenstherapie
Die VT hat zahlreiche, unterschiedliche Verfahren und Methoden entwickelt, um Menschen mit sehr unterschiedlichen Störungen bzw. Erkrankungen helfen zu können. Methoden wie die systematische Desensibilisierung oder Expositionsverfahren werden häufig bei Phobien (Ängsten) eingesetzt. Operante Methoden dienen dem Aufbau von erwünschtem bzw. dem Abbau von unerwünschtem Verhalten durch Verstärkung bzw. Sanktionierung. Hier kommen zum Beispiel „Münztauschprogramme“ (Token Economies) zum Einsatz, bei der positives Verhalten belohnt wird und dann eingetauscht werden kann in eine angenehme Aktivität. Hierunter fällt auch das sogenannte Kontingenzmanagement, welches unter anderem zum Aufbau von Verhalten bei Esstörungen eingesetzt wird.
VT beim Aufbau von neuem Verhalten
Kognitive Methoden bezeichnen das „gedankliche Umlernen“ von nicht hilfreichen Gedanken bzw. Gedankenmustern. Hier kommt zum Beispiel der sokratische Dialog zum Einsatz. Die Arbeit mit dysfunktionalen Überzeugungen kann hilfreich sein bei der Depressionsbehandlung. Handlungsorientierte Methoden dienen zum Aufbau von erwünschtem Verhalten durch Rollenspiele, Aufbau von Problemlösefähigkeit und verbesserter Selbstkompetenz sowie spezifischer Trainingsmaßnahmen. Durch Einüben kann ein Lernerfolg gefestigt und beibehalten werden. Neuere Ansätze integrieren achtsamkeits- und emotionale Prozesse in den Therapieerfolg.
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