Wer ist der Begründer von „Focusing“?
Focusing (von lateinisch focus „Mittelpunkt, Brennpunkt“) ist ein psychotherapeutisches Verfahren, das von dem amerikanischen Psychotherapeuten und Philosophen Eugene T. Gendlin entwickelt wurde. Es ist, wie der Untertitel seines Lehrwerkes lautet, eine Technik der Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme. Statt eines Therapeuten spricht Gendlin von einem Begleiter des Klienten, wobei der Begleiter weder studiert haben, noch Psychologe sein muss. Focusing ist demnach ein Verfahren, das von jedermann erlernt und praktiziert werden kann. Basis von Focusing sind Gendlins jahrelange Untersuchungen, die gezeigt haben, dass die von vielen Menschen unbewusst angewandte Art und Weise der Problembewältigung von jedem Menschen erlernbar ist. Gendlins Darstellung ist leicht verständlich und verzichtet auf Fachsprache. Die Hürde soll für den Ratsuchenden so niedrig wie möglich sein.
Wie wirkt Focusing?
Gendlin hatte eine für einen Therapeuten überraschende Erkenntnis: Die eigentliche Arbeit in der Therapie leistet nicht der Therapeut, sondern der Klient. Gendlin beobachtete und untersuchte, wie Menschen normalerweise (außerhalb der Therapie) von ihren Problemen reden und sie lösen. Ihm fiel auf, dass dabei auch immer wieder körperliche Wahrnehmungen zur Sprache kommen („es schnürt mir die Kehle zu, wenn ich daran denke!“, „Ich bekomme Bauchschmerzen, wenn…“). Diese Beobachtungen macht sich das Focusing zunutze.
Klient ist beim Focusing Experte für sich
Nach Gendlin ist der Klient bei der Lösung seiner persönlichen Probleme der eigentliche Experte. Er ist sein eigener Therapeut. Der Klient wird bei diesem Verfahren Focuser genannt. Der Focuser beginnt, steuert und beendet selbst den therapeutischen Prozess. Der Therapeut wird zum Begleiter. Ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht nicht. Die Begleitung im Focusing-Prozess muss lediglich darauf bedacht sein, „nicht im Weg zu stehen“. Kritik, Ratschläge oder sonstige Interventionen sind beim Focusing unerwünscht, da sie den Klienten von seinem eigenen inneren Prozess ablenken.
Focusing als Hilfe bei der Problembewältigung
Beim Focusing spielt das Körperempfinden bei der Suche nach Quellen und Ursachen persönlicher Probleme eine wichtige Rolle. Jedes geistig-seelische Erleben ruft körperliche Reaktionen hervor (Angstschweiß, Beklemmung im Brustraum, Druck in der Magengegend, stockender Atem, weiche Knie, u. a.). Diese Körpersignale bleiben auch dann erhalten, wenn der eigentliche Auslöser vergessen wird. Die körperlichen Empfindungen sind quasi der Pfad, auf dem der Klient der Lösung des Problems näher kommt.
Selbstwahrnehmung als Schlüssel
Durch Focusing lernt der Klient, seine körperlichen Empfindungen sehr genau wahrzunehmen. In einer Sitzung schließt der Focuser die Augen und vergegenwärtigt sich das Problem, wobei er seine körperlichen Reaktionen genau wahrnimmt und beschreibt. Durch Übung werden diese Wahrnehmungen und Beschreibungen immer präziser. Der Klient spielt unterschiedliche Lösungsansätze für sein Problem durch und bleibt bei seiner Körperwahrnehmung. Wenn er kleinere, körperlich spürbare Erleichterungen spürt weiß er, dass er auf dem richtigen Weg ist. Ziel ist eine vollständige innere Entkrampfung, die sich am Ende einstellt, wenn Gewissheit über die Richtigkeit der Zusammenhänge besteht. Diese Empfindung „… ist das Kernstück des Prozesses“. Gendlin vergleicht ihn auch mit dem Einatmen frischer Luft, nachdem man einen stickigen Raum verlassen hat.
Wie wird Focusing angewendet?
Focusing kann man alleine, gemeinsam mit einem guten Freund als Begleiter oder in einer Selbsthilfegruppe anwenden. Da der Focuser (Klient) auch an seinem Problem arbeiten kann, ohne es vor dem Begleiter in allen Einzelheiten zu benennen, ist Focusing ein sehr niederschwelliger Ansatz, da die Peinlichkeit vor dem Therapeuten wegfällt. Von Krankenkassen wird Focusing in der Regel nicht erstattet, auch dann nicht, wenn der Begleiter ein Psychotherapeut ist.
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