Bibliotherapie, was ist das?
Schon im Altertum galten Bibliotheken als Orte der Heilung. Zumeist waren sie mit der Kennzeichnung „Psyches iatreion“ versehen, was übersetzt „Heilstätte der Seele“ bedeutet. Die Verbindung der Philosophie mit der Poesie nutzte auch schon Platon, der griechische Philosoph, für seine Lehren. Auch die Dramentheorie von Aristoteles geht davon aus, dass mithilfe der antiken Tragödien die eigenen Emotionen aktiviert werden können. Hierdurch kann eine Reinigung der Seele stattfinden. Dieser Prozess wird auch als „Katharsis“ bezeichnet.
Momente voller Glück erfahren
Das Lesen von Büchern wird heute von Bibliotherapeuten und Neurowissenschaftlern gleichermaßen als Medizin und Therapie genutzt. Die Bibliotherapeuten gehen davon aus, dass mit der richtigen Literatur und Poesie Hoffnung und Kraft vermittelt werden kann. Der Leser kann durch ausgewählte Geschichten einen Moment voller Glück erfahren. Im deutschsprachigen Raum wurde die Therapie in den 70er Jahren von der Psychotherapeutin Ilse Orth und dem Psychologen Hilarion Petzold übernommen. Beide entwickelten die Therapie weiter zu einer Integrativen Poesie- und Bibliotherapie.
Wie wirkt die Bibliotherapie?
Wer sich mit dieser Art der Kreativitätstherapie befasst, wird im weiteren Verlauf auf das limbische System stoßen. Oft stellt sich dann die Frage: Was ist ein limbisches System? Der Begriff bezeichnet einen Teil des menschlichen Gehirns, der unter anderem eine entscheidende Rolle bei der Entstehung und Verarbeitung von Emotionen, der Entwicklung der menschlichen Intelligenz und des menschlichen Triebverhaltens spielt. Während des Lesens von fiktiven Geschichten oder Poesie wird genau dieser Teil des Gehirns stimuliert. Infolgedessen empfindet der Leser reale Gefühle wie Glück, Entsetzen, Ruhe, Faszination, Vergnügen, usw.
Hilfe erfahren durch Geschichten
Das passende Buch kann dem Leser in manchen Lebenssituationen eine unaufdringliche und einfühlsame Unterstützung sein. Auch ein Entwicklungsprozess kann besser nachvollzogen werden oder überhaupt erst stattfinden. Der Leser kann sich mit den Figuren und Helden der Bücher identifizieren, ohne eine direkte Konfrontation mit den persönlichen Hoffnungen, Ängsten und Schmerzen einzugehen.
Ablauf einer Poesie- und Bibliotherapie
Zuallererst soll ein Buch, eine Poesie oder eine Story das Interesse des Lesers gewinnen. Das wird unter anderem durch bekannte Verhaltensmuster oder dem Erkennen von verdrängten Emotionen erreicht. Danach kann deren Erforschung stattfinden. Auch die eigenen Reaktionen gehören in diesen Schritt der Erkennung mit einbezogen. Während des dritten Schritts werden die alten Emotionen neben die neuen Gefühle gestellt. Schlussendlich sollte dem Leser dabei geholfen werden, eine Art Einsicht zu erlangen. Denn Probleme können nur dann gelöst werden, wenn man sich ihrer bewusst ist.
Wann kann die Bibliotherapie eingesetzt werden?
Die Frage sollte eigentlich heißen: Wann sollte oder kann sie nicht eingesetzt werden? Schon für Kinder ist das Vorlesen von Kinderbüchern bedeutsam. Sie erfassen die Geschichten und Vorgänge über die positiven Charakterzüge der unterschiedlichen Helden und Figuren. Spielen diese in eigenen Rollenspielen nach. Hier wird oft die ganze Familie miteinbezogen. Passende Lektüreempfehlungen gibt es sowohl für psychische als auch für körperliche Leiden. Die Therapie kann in Schulen, in Büchereien, in Kliniken für Pflegepersonal und Patienten genutzt werden. Unter den Indikationen finden sich Anwendungsbereiche wie ADHS, chronische Erkrankungen, Diabetes, Mobbing, Obdachlosigkeit, Patchworkfamilien, Sexualaufklärung, Trotzverhalten oder Zwangsstörungen.
Persönliche Entdeckungsreise in der Welt der Bücher
Menschen lesen aus verschiedenen Gründen. Bücher vermitteln Wissen, Informationen und bieten Unterhaltung. Sie lassen den Leser jedoch auch eine persönliche Entdeckungsreise vornehmen, die in vielen Lebenssituationen helfen und unterstützen kann.
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