Warum Suchttherapie?
Der Begriff „Suchttherapie“ wurde bereits Ende der 1980er Jahre durch verschiedene Kosten-/Leistungsträger, vornehmlich durch den ehemaligen „Verband der Rentenversicherungsträger“ (ehemals VdR; nach deren Fusion: „Deutsche Rentenversicherung, DRV“), verwendet. Es ging darum, einer Vielzahl von PatientInnen mit unterschiedlichen Suchterkrankungsformen Rechnung zu tragen, die einer stationären oder auch ambulanten Behandlung bedürfen. Um Qualitätsstandards einzuhalten, wurden von renommierten Ausbildungsinstituten unterschiedliche Curricula mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten erarbeitet. Beispielsweise analytisch, gestalttherapeutisch, integrativ, verhaltenstherapeutisch und andere mehr. Auf diesem Hintergrund dauern inzwischen die berufsbegleitenden Fortbildungen in der Regel drei Jahre. Voraussetzung für die Aufnahme einer solchen Ausbildung ist ein abgeschlossenes sozialpädagogisches oder psychologisches Studium und einschlägige Berufstätigkeit. Die Weiterbildungsabschlüsse qualifizieren schließlich zur therapeutischen und somit abrechenbaren Behandlungstätigkeit in einer Sucht-Fachklinik sowie im ambulanten Rahmen in einer Suchtberatungsstelle. Von den Kostenträgern werden synonym die Begriffe „Entwöhnungsbehandlung“ oder neuer auch „Rehabilitation bei Abhängigkeitserkrankung“ verwendet.
Wie verläuft eine Suchttherapie?
Zu Beginn einer Suchtbehandlung erfolgt eine „Entgiftung“ des Körpers, was je nach Grad der Abhängigkeit und der Art des Suchtmittels ambulant oder stationär, mit unterschiedlicher Entgiftungsdauer erfolgt. Erst nach einer Kostenzusage durch einen Kostenträger – in aller Regel einem Rentenversicherungsträger – beginnt die Therapiephase auf ambulantem oder stationärem Wege. Art und Umfang der Therapie werden je nach individueller Diagnosestellung vom Kostenträger entschieden.
Die spezialisierten Kliniken bieten verschiedene Behandlungsschwerpunkte an: Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit, nichtstoffgebundene Süchte (z.B. Arbeits-, Kauf- und Online-Sucht, Pathologisches Glücksspiel aber auch Sexsucht). Die Behandlung in einer durch die Kostenträger anerkannten Fachklinik dauert zwischen sechs Wochen und drei Monaten zur sog. Entwöhnungstherapie; bei Drogenkonsum auch bis zu sechs Monaten. In der ambulanten Behandlungsform besucht eine KlientIn mindestens sechs Monate bzw. maximal 18 Monate lang einmal wöchentlich eine Gruppentherapie in einer anerkannten Suchtberatungsstelle und erhält darüber hinaus regelmäßig Einzelgespräche.
Was sind die Inhalte einer Suchttherapie?
Das suchttherapeutische Behandlungsprogramm versucht, dem komplexen Krankheitsbild eines von Suchterkrankung betroffenen Menschen Rechnung zu tragen. Regelhaftigkeit, Routine und eine motivierte Grundeinstellung zur Verhaltensänderung sollen atmosphärisch den Therapiealltag durchziehen. Häufig zeigt sich in der therapeutischen Arbeit, dass alle Lebensbereiche der PatientInnen problembehaftet sind. Die Therapieinhalte müssen dann entsprechend breit ausgerichtet werden. Insgesamt orientieren sich die therapeutischen Bemühungen an den Vorgaben der Kostenträger, nämlich an dem Ziel einer Suchtmittelabstinenz. Hierdurch kann die Arbeitsfähigkeit eines Menschen erhalten oder wiederhergestellt werden. Die sog. Entwöhnungstherapie beinhaltet zwingend Gruppentherapie und Einzeltherapie. Im stationären Rahmen kommen zusätzlich eine medikamentöse Behandlung, Arbeits- und Ergotherapie, Physiotherapie, (angeleitete) Freizeitunternehmungen und Familientherapie hinzu. Je nach Behandlungsbedürftigkeit empfiehlt sich hier auch die Teilnahme an Gruppen zur Psychoedukation, mit Themen wie „Rückfallprophylaxe“, „Training sozialer Kompetenzen“, „Konfliktbewältigungsstrategien“, „Alltagsbewältigung“, „Freizeitgestaltung“, „Entspannungstherapie“, „Körpertherapie“ und „Skillstraining bei Traumata“ usw. Der Besuch von Selbsthilfegruppen ist oft begleitend vorgeschrieben.
Multiprofessionelle Betreuung und Begleitung
FachkollegInnen in einer Klinik arbeiten je nach ihrer individuellen therapeutischen Qualifikation, oder je nach einer gesamttherapeutischen Ausrichtung der Einrichtung, in einem multiprofessionellem Team zusammen. Qualifizierte SuchttherapeutInnen arbeiten in der Regel als BezugstherapeutInnen, EinzelgesprächstherapeutInnen sowie GruppentherapeutInnen und richten die unterschiedlichen gruppentherapeutischen Angebote je nach Indikation für ihre zugewiesenen PatientInnen mehrmals wöchentlich aus. Eine lebensgeschichtliche Aufarbeitung sowie die Erarbeitung konkreter individueller Lösungsansätze, d.h. die Schaffung von neuen Perspektiven und einer konstruktiven Lebensgestaltung für die Zukunft sind obligatorisch. Spezifisch sind das Aufzeigen von „süchtiger Verhaltensstruktur“ im individuellen Alltag und das Erleben von „persönlichen Abhängigkeitsmerkmalen“, die es auch im Einzelkontakt sowie im sozialen Gruppenkontext einer Suchttherapie zu reflektieren und zu verändern gilt.
Autor des Beitrags: Frank Bernhardt
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