Verlust von Selbstwertgefühl bei Menschen mit Handicap
Was denken Sie, wenn Sie einem Menschen mit körperlichem Handicap begegnen? Ist es Abneigung oder Irritation? In der Regel dürfte es für Sie ungewohnt sein, mit solchen Menschen in Kontakt zu treten. Im Falle einer Abneigung kommt oftmals ein Kontakt erst gar nicht zustande. Bei einer Irritation ist man in Form einer Art der Hilflosigkeit mit dem Kontakt zögerlich. Beides löst im Kopf des Menschen mit körperlichem Handicap eine negative Denkweise aus. Dieses Problem begegnet dem betroffenen Mensch immer wieder und verändert mit der Anzahl solcher Vorfälle seine Denkweise. Im schlimmsten Fall kann dies zu einem Verlust des Selbstwertgefühls und depressiver Verstimmung führen. Wie kann man solche Situationen vermeiden oder einem Menschen auf dieser Basis eine positive Perspektive vermitteln? Die Zauberworte lauten “Respekt“, “Individualität“ und vor allem “Authentizität“. Eine körperliche Einschränkung mag sich auf dem Papier gut kategorisieren lassen. Ausschlaggebend ist jedoch der Mensch hinter dem Handicap.
Therapiemöglichkeiten für Menschen mit Handicap
Der zentrale Punkt, um einem Menschen oder Angehörigen helfen zu können, ist die Ursachenforschung. Diese erfolgt nicht etwa über Arztberichte oder Diagnosen, sondern über die Schilderung des Betroffenen selbst. Je nach Resultat der Schilderung gliedert sich die nachfolgende Therapie in Alltagsbewältigung, Vergangenheitsbewältigung oder Angehörigenberatung. Voraussetzung für die Umsetzung ist vor allem die Authentizität des Therapeuten und die Kooperationsbereitschaft des Betroffenen. Beide Faktoren bestimmen maßgeblich den Verlauf der Therapie. Insbesondere die Kooperationsbereitschaft der Klienten sollte bereits im Erstgespräch als Voraussetzung für eine Therapie dieser Art erwähnt werden.
Alltagsbewältigung für Menschen mit körperlichen Einschränkungen
Eine Alltagsbewältigung kann mehrere Formen haben. Auf der physischen Ebene geht es darum, auf der Basis der verbliebenen Fähigkeiten des Menschen mit körperlicher Einschränkung Strategien zu entwickeln, wie man alltägliche Tätigkeiten durchführen kann. Eine andere Form der Alltagsbewältigung ist der Umgang mit dem sozialen Umfeld. Dies können sowohl Angehörige, Freunde als auch Fremde sein. Das grundlegende Problem ist nicht etwa die körperliche Einschränkung selbst, sondern die Denkweise des Menschen. In den meisten Fällen sind Menschen mit körperlichem Handicap sehr in sich gekehrt und ängstlich in Bezug auf das Umfeld. Dies hat vor allem mit Scham und dem verminderten Selbstwertgefühl des Betroffenen zu tun. Wichtig ist hier dem Betroffenen zunächst den Fokus von seiner Einschränkung auf das Umfeld zu lenken. Im zweiten Schritt wird ihm durch einen Perspektivenwechsel die Denkweise des Umfeldes näher gebracht. Auf der Basis dieser Erkenntnis können dann Bewältigungsstrategien in Kooperation mit dem Betroffenen entwickelt werden.
Hilfe bei der Vergangenheitsbewältigung für Menschen mit Handicap
Bei der Vergangenheitsbewältigung ist die Verfahrensweise im Vergleich zur Alltagsbewältigung sehr ähnlich. Der große Unterschied ist die Ergründung der Ursache, welche die körperliche Einschränkung ausgelöst oder verstärkt hat. Dies kann beispielsweise ein Unfall oder der Verlust eines vertrauten Menschen sein. Hier fühlen sich die Betroffenen oft verantwortlich und verstärken dadurch die negative Denkweise in Bezug auf ihre Einschränkung. Auch hier stellt die Schilderung des Betroffenen die Basis für das weitere Vorgehen dar. Im Vergleich zur Alltagsbewältigung geht es aber nicht darum Strategien für die Durchführung von Tätigkeiten oder dem Umgang mit dem Umfeld zu entwickeln. Viel wichtiger ist es den Fokus von dem einschlägigen Ereignis auf den Betroffenen selbst zu lenken, um im Anschluss eine Alltagsbewältigung erst möglich zu machen.
Hilfe für Angehörige von Menschen mit Handicap
Bei der Angehörigenberatung stehen vor allem der Lebensgefährte und die Familie im Vordergrund, ohne den Mensch mit körperlicher Einschränkung dabei zu vernachlässigen. Die beste Therapie wird keinen Erfolg haben, wenn der Betroffene von seinem familiären Umfeld keine oder die falschen Hilfestellungen erhält. Die Rede ist dabei nicht nur die Pflege des Menschen, sondern vorwiegend die psychologische Unterstützung. Oftmals verlangt das familiäre Umfeld Dinge, welche vom Betroffenen aufgrund von mangelnden Fähigkeiten oder Scheu nicht umsetzbar sind. Das wichtigste dabei ist, dem Angehörigen ein klares Bild von der Einschränkung zu vermitteln. Erst im zweiten Schritt kann man auf dieser Basis Strategien mit ihm gemeinsam entwickeln. Ausschlaggebend sind hierbei die Möglichkeiten den Mensch mit körperlichem Handicap zu motivieren an seinen Therapien teilzunehmen und mit der richtigen Anleitung bzw. Feedback neue Dinge auszuprobieren. Dabei gilt es eine Unter- oder Überversorgung zu vermeiden. Je nach Fall fühlt sich der Mensch mit seiner körperlichen Einschränkung vernachlässigt oder ist aufgrund zu vieler Hilfestellungen nicht motiviert neue Dinge auszuprobieren.
Hilfreiches Handeln für Angehörige
Besonders wichtig für den Angehörigen ist es, sich immer an dem aktuellen Stand des Betroffenen anzupassen. Der Betroffene wird im Verlauf seiner Umsetzungsversuche nicht nur Erfolge davontragen. Hier übernimmt der Angehörige neben dem Therapeuten zum Teil den Part der Alltagsbewältigung, indem er mit dem Betroffenen versucht neue Strategien zu entwickeln. Die Aufgabe des Therapeuten ist es immer sich über den aktuellen Status zu informieren, um bei weiteren Terminen weiterarbeiten zu können. Sollte der Angehörige nicht imstande sein die beschriebenen Prozeduren durchzuführen, ist es ebenso wichtig, ihm Anlaufstellen und weitere Gesprächspartner zu vermitteln. Diese sollen lediglich den Verlauf der eigenen Therapie unterstützen und nicht zwangsläufig ersetzen.
Therapie von Menschen mit Handicap durch Empathie und Wertschätzung
Kommen wir nun zum letzten Punkt, der gleichzeitig die Voraussetzung für eine solche Therapie darstellt. Die Authentizität. Diese wird von der therapeutischen Seite oft vernachlässigt, da sie oft als unprofessionell angesehen wird. Stellen Sie sich vor, als Mensch mit körperlicher Einschränkung oder Angehöriger bei einem Therapeut zu sitzen, der sich nur auf wissenschaftliche Theorien beruft. Er versucht zwar mithilfe von Testungen und Diagnoseversuchen zu helfen, vernachlässigt jedoch die menschliche Komponente. Hinter dieser Komponente versteckt sich die Individualität des Klienten. Geht man darauf nicht ein oder sucht nach einer rein wissenschaftlichen Lösung, wird man sehr schnell an seine Grenzen stoßen. Im schlimmsten Fall stößt dies auf Miss- oder Unverständnis des Klienten. Dies wird früher oder später zum Abbruch der Therapie führen. Der Idealfall für Authentizität stellen vor allem eigene Erfahrungswerte aufgrund einer eigenen körperlichen Einschränkung oder dem Umgang mit Betroffenen dar. Dies bedeutet nicht, dass etwa die Distanz gestört wird, sondern wirkt unterstützend als Erläuterung der eigenen Vorgehensweise. Damit wird den Klienten nicht nur ein besseres Verständnis vermittelt, sondern auch das Gefühl von Geborgenheit in Ihrer Praxis den richtigen Ansprechpartner gefunden zu haben.
Autor: Philipp Dörr
Diplom-Psychologe & Heilpraktiker für Psychotherapie
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