Trauer – Warum ist der Tod so schwer zu akzeptieren?
Wir Menschen verstehen und begreifen uns selbst im Wesentlichen über unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Wir benötigen Beziehungen und Bindungen zum Leben, zur Selbstentfaltung und Entwicklung. Umso begreiflicher ist es, dass beim Verlust eines lieben Angehörigen, Freundes oder gar Partners, unser Selbst- und Weltverständnis stark erschüttert wird. Trauer ist unsere Reaktion (Emotion) auf diese massive Erschütterung – den Verlust unserer Beziehung und Bindung zu einem Menschen. Die Trauer bzw. der Trauerverlauf, welcher auf den Verlust eines geliebten Menschen folgt, ist sehr individuell und nicht als pathologisch (krankhaft) zu werten. Die Trauerreaktion ist vielmehr ein Lösungsversuch – ein Verarbeitungs- und Anpassungsprozess – mit dem schweren Verlust umgehen lernen. Sie ist stark geprägt von der Art der Beziehung bzw. Bindung zu dem Verstorbenen, den Umständen des Verlustes (Unfall, schwere Krankheit, Suizid, etc.) als auch den bisherigen Verlusterfahrungen und der Persönlichkeitsstruktur des Trauernden.
Phasenmodell der Trauerarbeit
Ein sehr bekanntes Phasenmodell der Trauerarbeit wurde von Verena Kast (1) wie folgt formuliert:
- Phase des Nicht-wahrhaben Wollens
- Phase der aufbrechenden Emotionen
- Phase des Suchens und Sichtrennens
- Phase des neuen Selbst- und Weltbezugs
Doch Phasenmodelle geben lediglich Hinweise über die möglichen unterschiedlichen PHASEN eines Trauerverlaufs, welche in der Struktur und des tatsächlichen Ablaufs völlig individuell – eben entsprechend der Persönlichkeit des Trauernden – auftreten und ablaufen können. Auch die Dauer eines Trauerprozesses ist sehr unterschiedlich, kann nicht an Phasenmodellen oder Trauerjahren festgemacht werden und ist u. a. abhängig von den Umständen des Todes sowie der Beziehung zu dem Verstorbenen.
Umgang mit Trauernden
Unsere heutige Gesellschaft gibt den Trauernden leider sehr wenig Zeit und bringt dem Verarbeitungsprozess wenig Geduld entgegen. Die Hinterbliebenen müssen schnell wieder funktionieren, um ihr Umfeld nicht zu lange mit den verunsichernden und angstmachenden Reaktionen und Emotionen eines Trauerprozesses zu konfrontieren. Auch fordern die meisten Trauermodelle das LOSLASSEN des Verstorbenen, was bei den Hinterbliebenen häufig auf Abwehr stößt und ein Gefühl des „nicht verstanden werden“ auslöst.
Ein neuer Ansatz in der Trauerbegleitung / -therapie
Der Dipl. Psych. Roland Kachler (2) entwickelte nach einer eigenen schweren Trauererfahrung einen neuen Ansatz in der Trauerarbeit, welcher nicht das LOSLASSEN sondern die weitere BEZIEHUNG ZUM VERSTORBENEN (in veränderter Form) unterstützt. Hypnosystemische Trauerbegleitung: Nicht loslassen müssen sondern weiter lieben dürfen. Der neue Ansatz in der Trauerbegleitung nach Dipl.-Psych. R. Kachler. Basierend auf den neueren Ansätzen der Trauerarbeit orientierte sich R. Kachler an Wordens Modell (2009) der TRAUERAUFGABEN und neuesten beziehungsorientierten Ansätzen, den CONTINUING BONDS von Klass.
- Die Realität des Verlustes akzeptieren.
- Den Trauerschmerz erfahren.
- Sich an eine Welt ohne den Verstorbenen anpassen.
- Eine dauerhafte Verbindung zum Verstorbenen finden, während man sich zugleich auf ein neues Leben einlässt (Worden 2009)
Integration der Trauer
So, wie man seine Vergangenheit und die dabei gemachten Erfahrungen – insbesondere mit dem Verstorbenen – nicht einfach auslöschen kann, so sollten wir auch die Verstorbenen nicht aus dem eigenen Leben löschen bzw. loslassen müssen. In der hypnosystemischen Trauerbegleitung steht daher die schmerzhafte Realisierung des Todes sowie die Neugestaltung der Beziehung zu dem Verstorbenen im Vordergrund, um nach dem Verlust und durch die Trauerarbeit wieder Glück zulassen und das Leben neu strukturieren zu können.
Beziehung zum Verstorbenen als heilsamer Ort
Der hypnotherapeutische Anteil der Trauerarbeit unterstützt mit Imaginationen (Verarbeitung im inneren Bild), die systemischen Anteile (die Beziehungsarbeit zu dem Verstorbenen) zu transformieren und neu zu gestalten. Hierbei wird die Trauer der Hinterbliebenen als ein Akt der Liebe respektiert und gewürdigt. Die Trauernden werden unterstützt, den Tod des geliebten Menschen als Realität zu akzeptieren und die Beziehung zu dem Verstorbenen nicht aufgeben zu müssen. Neben einfühlsamen Gesprächen und systemischen Fragen begleiten Imaginationen, Rituale sowie die Erinnerungs-, Versöhnungs- und Transformationsarbeit den Trauerprozess und die Trauerbewältigung.
Beziehungsgestaltung als Schlüssel
Die Beziehung zu dem Verstorbenen kann mit Hilfe von Imaginationen im inneren Bild weiter existieren und es darf ein neuer heilsamer Ort für den geliebten verstorbenen Menschen gefunden werden. Er darf als Berater und Vertrauter weiterhin in der inneren Beziehung das Leben begleiten und zur Seite stehen. Unsere lieben Verstorbenen werden nicht zurückkommen, aber wir dürfen weiter mit ihnen in Verbindung bleiben und uns gleichzeitig ein glückliches Leben nach dem Verlust aufbauen.
Autorin:
Iris Iffland
Heilpraktikerin für Psychotherapie,
Psychoonkologie, Imagination & Qigong
Quellen: Verena Kast – Trauern, 2011
Roland Kachler – Meine Liebe wird dich finden, 2012
Roland Kachler – Hypnosystemische Trauerbegleitung, 2014
(1) Verena Kast (*1943 – studierte Psychologie, Philosophie u. Literatur, Promovierte in Jungscher Psychologie, seit 2014 Präsidentin des C. G. Jung-Instituts, Zürich)
(2) Roland Kachler (*1955 – Dipl.-Psychologie, Psychologischer Psychotherapeut)
Das könnte Sie auch interessieren
Hospizarbeit – Begleitung am Ende des Weges
Fantasiereisen – ein Weg zu innerer Kraft und Ausgeglichenheit
Katathymes Bilderleben – die Kraft der inneren Bilder