Was sind Stabilisierungstechniken in der Therapie?
Menschen können in jeder Lebensphase in Situationen kommen, die den eigenen Erfahrungsraum und bisherige Bewältigungsmuster übersteigen. Dauert eine solche Situation längere Zeit an, sprechen wir von krisenhaftem Erleben, da ein passendes Handlungsrepertoire erst ausgebildet bzw. erlernt werden muss. Übersteigt die persönliche Erfahrung in einem hohen Maß die persönliche Selbstwirksamkeit(-serwartung) sprechen wir manchmal auch von traumatischen Erfahrungen. Um chronische Folgen von Traumatisierungen abzuwenden, ist soziale Unterstützung ebenso wichtig wie eine geeignete Therapie zur Krisenbewältigung. Nach einem Trauma hat sich die phasenorientierte Behandlung bewährt. Das erste Phasenmodell wurde 1889 von Janet entwickelt und wendet die dreiphasige Traumatherapie an.
Sie gliedert sich in
1. Stabilisierung
2. Traumakonfrontation
3. Reintegration
Das Stufenmodell zur Krisenbewältigung basiert auf der Tatsache, dass die Traumaerfahrung für die Zeit des Geschehens Gefühle von Hilflosigkeit und einen Verlust der Selbstkontrolle bedeutet. Erst beim Durchlaufen der drei Phasen kann sich ein vollständiger Erholungsprozess entfalten, sodass der Patient gestärkt wird. 3-Phasen-Modelle werden bis heute erfolgreich angewendet und setzen oft gewaltige Ressourcen frei.
Wann werden Stabilisierungstechniken in der Therapie eingesetzt?
Prinzipiell können Stabilisierungstechniken für jede Behandlung eingesetzt werden, auch bei Unfällen oder körperlichen Krankheiten. In der modernen Traumatherapie sind Erlebnisse wie Unfälle und Operationen, schwere Krankheiten etc. auch als Trauma definiert, da sie mit einem Verlust an Selbstkontrolle und Selbstwirksamkeit einhergehen. Für uns ist es selbstverständlich, dass ein gebrochener Arm geschient wird. Auch das ist eine Stabilisierung. Neue Sicherheit nach einer starken Traumafolgestörung zu gewinnen benötigt naturgemäß mehr Zeit als nach einer leichten Krise. Die Traumatherapie befähigt Patienten, selbstständig imaginative Distanzierungs- und Selbstberuhigungstechniken einzusetzen. Kernpunkt ist dabei die Visualisierung eines sicheren Ortes, die bei starken Ängsten und Traumata zum Stressabbau führt. Techniken zur Stabilisierung helfen auch bei Flashbacks und Depressionen. Patienten erfahren dabei, dass sie ihre seelische und körperliche Erregung selbst kontrollieren können.
Beispiele für Stabilisierungstechniken
Atemübungen, Visualisierungen und Impulskontrollübungen sind typische Beispiele für bewährte Techniken. Beim kräftigen Einatmen und geräuschvollen Ausatmen entsteht mehr Kontrolle über den Körper. Nach mehrmaligem Wiederholen senkt sich der Puls und eine Beruhigung des Körpers und des psychischen Empfindens werden wahrnehmbar. Impulskontrollübungen sollen eine spontane Überreaktion verhindern. Der Patient geht aus der kritischen Situation heraus, boxt zum Beispiel gegen einen Gegenstand, um Aggressionen abzubauen oder atmet tief durch und zählt dabei. Während er sich auf die Wahrnehmung der Sinneseindrücke der aktuellen Umgebung konzentriert, verliert die Angst machende Situation an Bedeutung. Diese Art der Reorientierung kann sehr essentiell sein, da Traumatisierte oft in einer Art Traumaschleife hängen und den Bezug zum Hier und Jetzt teilweise verlieren. Übungen zur Reorientierung helfen, diesen Bezug wieder herzustellen. Auch die Screen Technik hilft Betroffenen, mit den auftauchenden Intrusionen (den bei einer Traumafolgestörung auftretenden Bildern bzw. Sequenzen des traumatisierenden Geschehens) besser umzugehen und sie aktiv in ihrer Intensität bzw. ihres Inhaltes zu verändern.
Körperorientierte Stabilisierungstechniken
Unter den körperorientierten Techniken ist vor allem Bewegung an der frischen Luft hervorzuheben. Idealerweise stellt sich der Patient einen festen Lauf- und Bewegungsplan auf, an den er sich konsequent hält. Ebenfalls bewährt ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Sie hat sich als Entspannungstechnik in Stresssituationen etabliert und kann auch von Kindern angewendet werden. Eine der wichtigsten Stabilisierungstechniken ist das innere Bild „sicherer Ort“. Dieser Wohlfühlort sollte gedanklich mit möglichst vielen angenehmen Gegenständen ausgestattet werden. Da Traumatisierte oft nicht in der Lage sind, einen vollkommen sicheren Ort zu imaginieren (denn genau dieses Gefühl der Sicherheit ging durch das Trauma verloren), ist eine Annäherung an einen Ort hilfreich, der als so sicher wie möglich empfunden wird. Stabilisierungstechniken haben in der Psychotherapie einen hohen Stellenwert und sind allgemein ein erfolgreiches Mittel zur Selbsthilfe bei Krisen.
Wie werden Stabilisierungstechniken eingesetzt?
In der Stabilisierungsphase nach einer Krise geht es um die Wiedergewinnung der Selbstkontrolle. Bevor mit der eigentlichen Traumatherapie begonnen werden kann, muss sichergestellt sein, dass die traumatisierende Situation nicht mehr besteht und der Patient nicht weiter durch sie geschädigt werden kann. Zu Beginn der Behandlung muss eine stabile Bindung zum Therapeuten aufgebaut werden. Er muss neu lernen, seine Grenzen überhaupt wieder zu spüren (denn diese wurden massiv verletzt duch das Trauma). In der Folge auch gesunde und als hilfreich empfundene Grenzen nach außen setzen, die ein als sicher empfundenes Miteinander ermöglichen.
Wem helfen Stabilisierungstechniken?
Jeder hierfür offene Mensch kann Stabilisierungstechniken zur Krisenbewältigung anwenden. Ein wesentlicher Teil der Therapie ist das Einüben der Bewältigungstechniken in häuslicher Umgebung, sodass sie später jederzeit verfügbar sind. Auch Lachen hat einen hohen therapeutischen Effekt. Nicht umsonst spricht man vom befreienden Lachen, denn der Vorgang schüttet Glückshormone aus. Das Lachen kann auch vor dem Spiegel geübt werden. Ob gestellt oder spontan, es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Lachen in beiden Fällen die gleiche positive Wirkung hat.
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