Was ist die Ressourcen-Therapie (RT)?
In der Psychotherapie gibt es verschiedene Richtungen. Gerade in den letzten Jahren sind neue, wirkungsvolle Therapieverfahren entwickelt worden. Dazu gehört auch die RT von Gordon Emmerson, die er ca. 2010 final formalisiert hat. Sie ist das Ergebnis seiner jahrelangen Forschung. Ich hatte das Glück von Dr. Emmerson persönlich ausgebildet worden zu sein. Die RT ist eine Weiterentwicklung der Ego-States-Therapie, welche von den US-Amerikanern John und Helen Watkins seit etwa 1980 in den USA entwickelt wurde. Wie Ego-States gehört RT zur Gruppe der Teile-Therapien. Die Persönlichkeit eines Menschen besteht aus Persönlichkeitsanteilen. Abhängig von der Situation ist ein einziger Anteil aktiv und steuert den ganzen Menschen. In einer anderen Situation ist ein anderer Anteil aktiv.
Beispiel für die Ressourcen-Therapie (RT)?
Beispiel: Ich schreibe jetzt eine Fachartikel, ich bin konzentriert, recherchiere und strukturiere Informationen. Mein Anteil, der jetzt aktiv ist, freut sich dabei und ist hilfreich. Ich nenne ihn „Fachautor“. Heute Abend hoffe ich, dass ich mit meiner Familie ein Gesellschaftsspiel spiele und wir uns lustig unterhalten. Für diese Situation sollte ich entspannt sein, fröhlich und unbeschwert. Wenn jetzt mein „Fachautor“ draußen ist, dann wird der Abend eher ungemütlich werden. Also übernimmt hoffentlich mein Anteil „Familienmensch“.
Verschiedene Persönlichkeitsanteile in der RT
Jeder Mensch hat ca. 15 bis 25 Oberflächenanteile. Oberflächenanteile verwenden wir häufig im täglichen Leben. Weiterhin haben wir dann auch noch Tiefenanteile. Das sind Anteile, die wir in unserem Leben häufig gebraucht haben, jetzt doch eher selten bis gar nicht mehr. Zum Beispiel spielte ich vor 30 Jahren Gitarre. Jetzt habe ich wieder angefangen Gitarre zu spielen und dieser Persönlichkeitsanteil von mir freut sich, wieder aktiv zu sein. Es fühlt sich jedoch gerade etwas unsicher an. Wenn ich jetzt lange genug übe, dann wird dieser Tiefenanteil wieder ein Oberflächenanteil. Jeder Anteil ist in Form einer neuronalen Struktur im Gehirn vorhanden. Wenn ein Anteil aktiv ist, dann ist auch immer die dazugehörige neuronale Struktur aktiv.
Wie funktioniert die Ressourcen-Therapie nach Gordon Emmerson
Neben den gesunden Oberflächen und Tiefenanteilen gibt es auch andere Anteile, die sich eher unpassend verhalten oder sich schlecht anfühlen. Als Beispiel eine fiktive, typische Situation: Im Supermarkt kommt es zu einem Konflikt, weil sich jemand vor Ihrer Nase das letzte Produkt im Regal wegschnappt, obwohl Ihre Hand bereits zum Produkt griff. Sie wollen gerade etwas sagen, da bekommen Sie von der anderen Person gesagt: „Muss dich nächstes Mal schneller bewegen und weniger zögern.“ Dann geht die Person weg. Sie sind perplex. Ihnen fehlen die Worte. Zwei Stunden später. Zuhause fallen Ihnen dann ganz viele gute Reaktionen auf diese Situation ein und Sie beginnen sich über sich selbst zu ärgern.
Stärkung der „passenden Anteile“ in der Ressourcen-Therapie
Aus der RT heraus, kann ich sagen, dass der Anteil, der im Supermarkt aktiv war, ein anderer war als der Zuhause. Der Anteil im Supermarkt hat wenig kommunikative Möglichkeiten. Er fühlte sich vielleicht verängstigt oder abgelehnt. Deshalb hat er die Situation ertragen. Der Anteil Zuhause ist ein reifer Anteil, der kommunikative Möglichkeiten hat. Jedoch wird dieser kommunikative, reife Anteil von dem aktiven Anteil im Supermarkt unterdrückt. Er hat keine Chance rauszukommen und der Situation anders zu begegnen. Also ist im Supermarkt ein für die Situation unpassender Anteil aktiv. Übrigens: Sich anschließend über sein Verhalten zu ärgern ist menschlich, jedoch sinnlos, weil die Situation vorbei ist. Besser ist es, den reifen Anteil für folgenden Situationen zu bitten, aktiv zu werden und für den anderen Anteil eine geeignetere Aufgabe zu finden.
Umgang mit „verletzten Anteilen“
Dazu ist es jedoch wichtig, zuerst den abgelehnten oder ängstlichen Anteil zu versorgen, damit dieser sich wohl fühlt. Abgelehnte oder verängstigte Anteil entstehen häufig in der Kindheit und Jugend. Eine Besonderheit der pathologischen Anteile: Sie altern nicht. Diese Anteile erzeugen ungewünschte Gefühle. Damit diese Anteile ihre Verletzungen heilen können, müssen neuronalen Strukturen im Gehirn aktiviert werden, die diesen Anteil bilden. Also alle Persönlichkeitsanteile sind als neuronale Strukturen im Gehirn vorhanden. Unser Gehirn aktiviert und deaktiviert diese Anteile situationsabhängig. Manchmal aktivieren sich die Anteile auch unkontrolliert und selbstständig, wie der Anteil im Supermarkt.
Integration in die Persönlichkeit
In der RT werden die ungewollten Anteile versorgt und in die Persönlichkeit integriert. Dabei unterschiedet die RT zwischen ungewünschten Gefühlen, ungewünschten Verhalten, unpassenden Anteilen und konkurrierenden Anteilen. Ungewünschte Gefühle entstehen, wenn abgelehnte oder verängstigte Anteile aktiv sind. Unpassendes Verhalten, wenn Anteile aktiv sind, die ein veraltetes Verhalten zeigen, z.B. die unkontrollierte Wut eines Kindes ist im Erwachsenenalter eher störend.
Handlungsfähig durch Verhandlung
Dann gibt es Situationen, da fühlen wir uns hilflos oder inkompetent. Das sind Situation, da versucht ein Persönlichkeitsanteil hilfreich zu sein, ist es jedoch nicht. In meiner Ausbildung gab Gordon Emmerson das Beispiel eines Klienten, der nicht abwaschen wollte. Gordon aagte zu dem Anteil: „Ich verspreche dir, dass musst du auch nie mehr.“ Der Anteil, der versuchte den Abwasch zu machen war für die Aufgabe ungeeignet. In der Arbeit wurde ein anderer Anteil gefunden, der gerne abwusch und das Thema des Klienten war gelöst. Wenn zwei Anteile sich um eine Aufgabe streiten, dann werden wir handlungsunfähig. Die RT hat in einem solchen Fall einen Prozess, wie diese Anteile miteinander verhandeln können, sodass anschließend nur noch Anteil die Kontrolle hat.
Heilung durch Integration in der Ressourcen Therapie
Eine Grundannahme der RT ist, dass alle Anteile hilfreich sein wollen und zur Persönlichkeit gehören. In anderen Therapien werden störende Anteile aus der Persönlichkeit entfernt. In der RT werden störende Anteile geheilt und in die Persönlichkeit integriert. Das mache die RT zu einer sehr sicheren und für die Klienten zu einer angenehmen und hilfreichen Therapie. Weil die verschiedenen Anteile zu lernen besser miteinander zu kooperieren, wir die Persönlichkeit gestärkt und Störungen können schnell therapiert werden. Gordon Emmerson hat in meiner Ausbildung von einem Kollegen in Australien erzählt, der 70% weniger Anti-Depressiva verschreibt, seit er RT praktiziert.
Durchführung der Ressourcen-Therapie
In einer RT-Sitzung kommt der Klient, die Klienten mit einem konkreten Veränderungswunsch. Dieser wird zuerst beschrieben. Anschließend wird über das Gefühlsgedächtnis der spezielle Anteil aktiviert, der für die Veränderung notwendig ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die Augen des Klienten geschlossen oder auf einen Punkt im Raum fokussiert. Am Ende der RT-Sitzung wird überprüft, ob die Veränderung spürbar ist. Die RT ist vorbei, wenn der Klient, die Klientin ohne einen weiteren Veränderungswunsch ist.
Welche psychischen Störungen können mit der Ressourcen Therapie behandelt werden?
Es können fast alle psychischen Störungen mit RT therapiert werden. Ausgenommen sind körperlich verursachte Störungen, Psychosen, Manien, schwere Depressionen. Besonders gut wirkt RT bei Trauma, Ängsten, Panikattacken, Zwängen, Süchten und Depressionen.
Wo kann ich mehr Informationen zu RT finden?
Auf der Website https://learn-resourcetherapy.com/ gibt es mehr Informationen.
Wird die Ressourcen-Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen?
In Deutschland werden von den Krankenkassen Verhaltenstherapie, Psychoanalyse und systemische Psychotherapie übernommen. Die RT ist eine reine Selbstzahler-Therapie.
Autor: Dr. phil. Ralf Friedrich, Clinical Resource Therapist Practitioner, Certified Resource Therapy Trainer
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