Die 30-Sekunden-Buchführung ist eine Technik der Verhaltenstherapie zur Bewältigung von Angst- und Panikattacken. In diesem Standardverfahren einer in-vivo-Exposition können Patienten und Patientinnen lernen, dass auch mit heftigen Reaktionen verbundene Angst aushaltbar ist. Daraus resultierend leben sie weniger eingeschränkt und können neues Selbstvertrauen entwickeln.
Wie arbeitet die 30-Sekunden-Buchführung?
Der Angstpatient kann nicht ohne weiteres erkennen, dass er unangemessene Befürchtungen hat, da er sich in einer Negativspirale befindet. Die 30-Sekunden-Buchführung arbeitet mit Visualisierung und lenkt seine Gedanken auf ein anderes Phänomen/Sachverhalt, um die Spirale zu durchbrechen. Oft bestimmt die Vorstellung, dass beim nächsten Mal dennoch etwas Schlimmes passieren könnte (negative Prognose), die tatsächliche Erfahrung. Bereits durch diese Annahme werden negative Erfahrungen unterstützt. Das Expositionsverfahren wirkt diesen dysfunktionalen Anteilen entgegen, indem es den Fokus auf die Überprüfung der Annahme lenkt. Patienten werden dazu angeleitet, realer Erfahrung mehr Aufmerksamkeit zu schenken als ihren Fantasien und trainieren dabei eine positive Prognose.
So bekommt man die Phobie mit der 30-Sekunden-Buchführung in den Griff
Ziel der therapeutischen Begleittechnik ist eine verbesserte kognitive Verarbeitung einer Exposition. Gleichzeitig soll die Aufrechterhaltung von Gefahrannahmen (es könnte aber… passieren) verhindert werden. Die Praxis hat gezeigt, dass der Einsatz dieser Technik auch nur zur Überprüfung einer Agoraphobie (ich verliere die Kontrolle, ich sterbe, ich werde verrückt) sinnvoll ist. Hierbei handelt es sich um Annahmen, von denen sowohl Patient als auch Therapeut sicher sein können, dass sie noch nie eingetreten sind.
Die Vorgehensweise bei der 30-Sekunden-Buchführung
Zunächst muss der Patient darüber aufgeklärt werden, wie eine In-vivo-Exposition abläuft, denn das Verfahren findet während einer solchen Exposition statt. Es hat vier Stufen. Danach wird herausgearbeitet, welche Mechanismen zur Aufrechterhaltung der Ängste betragen. Ihre Identifizierung ist die Grundlage für ein erfolgreiches Veränderungstraining. Nun legen Patient und Therapeut gemeinsam Veränderungsziele festgelegt. Aus verhaltenstherapeutischer Sicht muss der Patient irgendwann „ins kalte Wasser springen“ und sich mit der beängstigenden Situation (zunächst begleitet) konfrontieren. Dabei hat er zu überprüfen, ob das angenommene Szenario tatsächlich eintritt.
Durchführung der 30-Sekunden-Buchführung
Bei der 30-Sekunden-Buchführung geht es darum, sich im Takt von jeweils 30 Sekunden folgende Fragen zu stellen und zu beantworten:
1.) Welche Gefahr nehme ich an?
2.) Ist das, was ich angenommen habe, in den letzten 30 Sekunden eingetreten?
3.) Nehme ich an, dass die Gefahr auch für die nächsten 30 Sekunden noch besteht?
Im engen therapeutischen Dialog bleibt wenig Spielraum für Gefahrfantasieren. Das unkontrollierte Kopfkino reduziert sich daher leichter. Auch während einer Exposition (der Patient bemerkt zum Beispiel einen Stau oder einen Unfall auf der Gegenfahrbahn) sammelt der Patient weniger Erfahrungen bezüglich vermeintlicher Gefahren. Da er sich auf die kognitiven Anteile seiner Angst konzentriert, wird er von einer übertriebenen Selbstbeobachtung (vegetative Anteile) abgehalten.
Der künftige Umgang mit Ängsten
Angstvorstellungen und Phobien lassen sich nur erfolgreich besiegen, wenn der Patient eingesehen hat, wie sehr er von ihnen beherrscht wird. Der erste Schritt in einer Therapie besteht darin, die Angsterkrankung zu analysieren und ihre Ursachen herauszufinden. Nur wer seine Problematik versteht, kann den Teufelskreis überwinden. Danach werden die Rahmenbedingungen herausgearbeitet, welche die Ängste aufrechterhalten. Mittels Konfrontation lernt der Patient in kleinen Schritten, diese auszuhalten. Durch innere Reflexion und Selbstmanagement lernen die meisten Betroffenen einen angemessenen Umgang mit ihrer Angst. Die Neubewertung beängstigender Situationen hilft dabei, den Dämon machtloser zu empfinden. Die 30-Sekunden-Buchführung ist umso wirkungsvoller, je häufiger sie eingeübt wird.
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